Belarus: Wie unabhängige Medien und Aktivisten weiterhin alles riskieren

EUvsDisinfo beobachtet regelmäßig, wie das illegitime Lukaschenko-Regime sein Rechtssystem und den Sicherheitsapparat missbraucht, um die wenigen verbliebenen unabhängigen Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen. In seinem Visier befinden sich Journalisten, regionale Medien, Telegram-Kanäle sowie deren Anhänger- und Leserschaft.
Das Recht auf Meinungsfreiheit in Belarus auszuüben, war bereits vor der manipulierten Wahl im August 2020 schwierig. Doch danach eskalierte das Durchgreifen des Regimes. Es sind so viele Fälle und Beispiele geworden, dass eine Auflistung aller hunderte Seiten erfordern würde.
Im Folgenden fassen wir zentrale Schritte zusammen, die das Lukaschenko-Regime in den vergangenen sechs Monaten unternommen hat. Es beinhaltet: die Verfolgung von Journalisten, das Verhängen gefälschter oder absurder Anklagen, harte Gefängnisstrafen, erzwungene „Geständnisse“ und Druck auf die Familie und Freunde von Aktivisten, weiteres Durchgreifen in sozialen Medien und Verzerrung der Geschäftswelt, Manipulation von Tatsachenberichten sowie ein engerer Kontakt mit den russischen Massenmedien. Erwarten Sie mehr Unterdrückung.
März 2022
Journalisten aufgrund absurder Anklage verurteilt. Am 15. März wurden der Chefredakteur von Nasha Niva, Jegor Martinowitsch, und der Redakteur Andrej Skurko zu 2,5 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie angeblich falsche Gebühren für die Versorgungskosten des Büros in Minsk anwandten. Nasha Niva ist der bekannteste unabhängige Medienkanal in Belarus auf der Landessprache. Der KGB klagte den belarusischen Journalisten Denis Iwaschin, der seit März 2021 hinter Gittern sitzt, aufgrund der Kooperation mit ukrainischen Geheimdiensten an und verurteilten ihn für Verrat am Staat. Iwaschin hatte zum unabhängigen Medienkanal Novy Chas („Neue Zeit“) und der ukrainischen Initiative zur Offenlegung von Tatsachen InformNapalm beigetragen.
Die Anzahl der „Geständnisvideos“ in Telegram-Kanälen, die Propaganda zu Belarus verbreiten, ist deutlich gestiegen. Jede Woche tauchen auf Telegram dutzende Videos auf, in denen Menschen für Vergebung für angebliche Fehler wie das Klicken auf Werbebanner mit der verbotenen Weiß-Rot-Farbkombination flehen.
Auf der Suche nach der „fünften Säule“. Verschiedene soziale und berufliche Bevölkerungsgruppen sind ins Visier geraten. Im Vorfeld der russischen Invasion der Ukraine nutzte das russische Militär zum Beispiel die belarusische Schieneninfrastruktur. Seitdem wurden dutzende Angestellte des belarusischen Schienensystems gezwungen, „Geständnisvideos“ aufzunehmen, die in regimetreuen Telegram-Kanälen veröffentlicht wurden. Die Angestellten „gestanden“ Fehlverhalten und gehörten angeblich dem Telegram-Kanal „Gemeinschaft der Schienenarbeiter“ an, der vom belarusischen Regime als „extremistisch“ eingestuft wurde.
Auch Minderjährige wurden gezwungen, auf regimetreuen Telegram-Kanälen Geständnisse abzulegen. So gestanden zwei belarusische Teenagerinnen zum Beispiel, angeblich Videos mit Militärausrüstung in Belarus auf ihren TikTok-Kanälen hochgeladen zu haben. Wir verlinken diese verstörenden Videos nicht, um ihre weitere Verbreitung nicht zu unterstützen.
Wikipedia-Beitragende verfolgt. Der belarusische Wikipedia-Aktivist Mark Bernstein wurde 15 Tage inhaftiert, weil er „falsche russisch-feindliche Materialien verbreitet hat“. Dies geschah, nachdem ein russischer Propagandakanal auf Telegram Bernsteins personenbezogene Daten veröffentlichte und ihn beschuldigte, gegen ein neues russisches Gesetz verstoßen zu haben, das Kritik am Krieg in der Ukraine verbietet, indem er einen Wikipedia-Eintrag zur russischen Invasion bearbeitete. Bernstein wurde in Gewahrsam genommen und einen Monat später zu drei Jahren begrenzter Freiheit verurteilt und aus der Haft entlassen. Ein weiterer Wikipedia-Autor, Pawel Pernikow, wurde zu zwei Jahren verurteilt, da er an Artikeln über die Wahlproteste 2020 und die Unterdrückung in Belarus mitwirkte.
Durchgreifen bei Verstärkerseiten. Am 22. März wurde Lukaschenkos Erlass zu Online-Nachrichtenverstärkern veröffentlicht. Nach dem Erlass können Verstärker, die auf ihren Seiten Artikel von offiziell eingeschränkten Medienkanälen veröffentlichen, selbst mit Einschränkungen bestraft werden. Obwohl der Erlass keine bestimmten Seiten nennt, stehen vermutlich Yandex und Google News ganz oben auf der Liste. So versucht das belarusische Regime, noch verbliebene Lücken, durch die belarusische Leser an nicht kontrollierte oder objektive Informationen gelangen könnten, zu schließen.
Russland hat den Zugang zu belarusischen unabhängigen Online-Medien beschränkt, vermutlich aufgrund der Berichterstattung zum Krieg gegen die Ukraine, die in Russland an Bekanntheit gewann. Die Behörden blockierten die Websites von Zerkalo.io (ehemals Tut.by), Nasha Niva, Euroradio, Belsat und anderen.
April 2022
Drakonische Regulierung der kommerziellen Werbung. Am 31. März unterzeichnete Lukaschenko einen Erlass, „Zur Entwicklung der Massenmedien“, welcher die kommerzielle Werbung reguliert. Der Erlass führt eine Gebühr von 10 % für die Platzierung von Werbung im Außenraum oder im öffentlichen Verkehr ein; in anderen Fällen beträgt die Gebühr 20 %. Die Gebühr wird von Werbetreibenden gezahlt und zur Unterstützung der staatlichen Medien verwendet. Wird Werbung direkt in staatlichen Medien geschaltet, so entfällt die Gebühr. Somit unterstützt jegliche Werbung internationaler Marken in Belarus ungeachtet der Platzierung die staatliche Propaganda.
Online-Einschränkungen gehen weiter. Der Zugang zu Voice of Belarus, einer von Freiwilligen geführten Medieninitiative, wurde in Belarus eingeschränkt. Die Behörden kennzeichneten die Inhalte des beliebten unabhängigen regionalen Medienkanals Media-Polesye, einschließlich der Veröffentlichungen in Vkontakte und Odnoklassniki, als „extremistisch“. Der Zugang zur Website wurde vor Langem beschränkt und die Belegschaft gefeuert. Die Behörden hatten zuvor eine Strafverfolgung des Eigentümers von Media-Polesye eingeleitet. Der TikTok-Blogger Andrej Beliawsky, der über 100 000 Follower hat, wurde brutal verhaftet. Regimetreue Telegram-Kanäle veröffentlichten sein „Geständnisvideo“ und ein Video seiner Verhaftung. Er wird der Beleidigung Lukaschenkos beschuldigt.
Zusätzlich kennzeichnete das Regime eine Reihe an Telegram-Kanälen als „extremistisch“, während der oberste Gerichtshof von Belarus die beliebten Telegram-Kanäle NEXTA, NEXTA Live und Luxta als „terroristisch“ einstufte. Während eines hochrangigen Treffens mit Sicherheitsbeamten am 19. April kritisierte Lukaschenko seine Anhänger, da sie nicht loyaler und entschiedener gegen diese „Extremisten“ vorgehen. Nicht nur mehrere Medienkanäle und NRO werden als „extremistisch“ gelistet, sondern auch gedruckte Materialien. So berichtete ein Kanal, dass ein heraldisches Buch über belarusische Militärsymbole, „Die Geschichte des belarusischen Militärs“, vom Informationsministerium auf die Liste der „extremistischen“ Inhalte gesetzt wurde.
Manipulation über das Publikum staatlicher YouTube-Kanäle. Der YouTube-Kanal des belarusischen Rundfunkunternehmens und andere staatliche YouTube-Kanäle verzeichneten Ende März und Anfang April 2022 einen drastischen Anstieg der Videoaufrufe, insbesondere bei Videos zur Ukraine. Einige Videos, die normalerweise ein paar tausend Mal angesehen werden, wurden hunderttausende Male angesehen, teils über eine Million Mal. Diese Zahlen könnten das Ergebnis der bedeutenden Förderzahlungen sein, die in die kremlfreundliche Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine und zu den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen investiert wurden. Diese überhöhten Videoansichten kehrten Ende April auf ein normales Niveau zurück.
Videos mit Müttern belarusischer Kämpfer in der Ukraine. Ein Telegram-Kanal, der mit dem belarusischen Regime in Zusammenhang gebracht wird, veröffentlichte ein Video einer 68-jährigen Frau, der Mutter eines belarusischen Freiwilligen, der für Kiew und die Ukraine kämpft, in dem sie behauptet, sich für ihren Sohn zu schämen. Im Hintergrund ist das russische Kampfzeichen Z zu sehen. Zerkalo.io interviewte ihren Sohn, der äußerte, seine Mutter habe das Video unter Druck aufgenommen. Am 15. April veröffentlichte Igor Tur (auf der EU-Sanktionsliste für die Schaffung von Propaganda und Desinformation für das belarusische Regime und Moderator beim staatlichen Kanal ONT TV) ein ähnliches Video der Mutter eines weiteren belarusischen Freiwilligen. Sie sprach zu ihrem Sohn und sagte: „Es ist besser, ein paar Jahre im eigenen Land im Gefängnis zu verbringen, als Menschen zu töten.“
Mai 2022
Hunderte Telegram-Kanäle als „extremistisch“ eingestuft. Nach offiziellen Angaben galten zum Stand Mai 633 Telegram-Kanäle als „extremistisch“ und 200 Personen wurden seit Beginn des Jahres verhaftet, weil sie Informationen von „extremistischen“ Quellen verbreiteten. Die vermeintlich extremistischen Telegram-Kanäle widmen sich dabei nicht notwendigerweise politischen Themen. Auch der Telegram-Kanal Ekonomika Belarus („Die belarusische Wirtschaft“) wurde als „extremistisch“ eingestuft. In einigen Fällen werden Telegram-Kanäle und Online-Medien als „extremistische Gruppierung“ bezeichnet.
„Extremistisch“ sein. Während es ein administrativer Verstoß ist, „extremistischen“ Kanälen zu folgen, kann ein Abonnement einer „extremistischen Gruppierung“ zu Strafanzeigen führen, die mit Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Derweil wird auch die Liste „extremistischer“ Literatur immer länger. Das Buch Die belarusische Nationalidee wurde auf die Liste „extremistischer“ Materialien gesetzt und der Roman Die Hunde Europas vom zeitgenössischen belarusischen Autor Alherd Bacharewitsch gehört zu den Büchern, die kürzlich als „extremistisch“ eingestuft wurden.
Mehr „extremistische“ Medienkanäle und anhaltende Einschränkungen. Die Website von Mediazone.Belarus und deren Konten in sozialen Medien wurden als „extremistisch“ eingestuft. Das Projekt Chestnaya Gazeta („Ehrliche Zeitung“), das in Form von PDF-Flugblättern mit Nachrichten zu Belarus verbreitet wurde, gilt als „extremistische Gruppierung“. Die Behörden durchsuchten das Büro des regionalen Medienkanals promogilev.by. Der Journalist Igo Kasmertschak, Chefredakteur von Orsha.ru, wird in einem Straffall der Präsidentenbeleidigung verdächtigt. Konstantin Zolotykh, Leiter des wirtschaftlichen Journals Belarus und der Markt, wurde vom KGB verhaftet. Gegen ihn wird strafrechtliche Anklage wegen des Aufrufs zum Hass erhoben. Juri Hantsarewitsch, Korrespondent der unabhängigen Zeitung Intex-Press, wurde dafür verhaftet, Fotos von russischer Militärausrüstung an unabhängige Medien gesendet zu haben. Regimetreue Telegram-Kanäle veröffentlichten sein „Geständnisvideo“. Eine weitere Strafanzeige wurde, diesmal wegen der Organisation einer terroristischen Gruppe, gegen den Blogger Stepan Putilo, dem Gründer des größten belarusischen Telegram-Kanals NEXTA, und seine Belegschaft erhoben.
Unterdrückung der Verwandten von Journalisten und Bloggern. Am 26. Mai wurden die Eltern der belarusischen Opernsängerin Margarita Lewtschuk kurz inhaftiert und mussten hohe Bußgelder zahlen für die „Missachtung der Polizei“. Die Behörden durchsuchten und zerstörten auch die Wohnung der Eltern des Bloggers Andrej Pauk und verhafteten einen seiner Freunde. Lewtschuk und Paul bilden ein satirisches Duo, das über politische Themen singt. Sie haben einen bekannten YouTube-Kanal. Es wurde auch gemeldet, dass die Mutter von Jegor Martinowitsch, dem Chefredakteur von Nasha Niva, der aus politischen Gründen inhaftiert wurde, beim Magazin Mastactva („Kunst“) gefeuert wurde. Sie war dort seit 1991 für den Musikbereich zuständig.
Blogger auf YouTube, TikTok und Instagram sind weiterhin Ziele. Der beliebte YouTube-Kanal Zhizn-Malina (110 000 Abonnenten) der Bloggerin Nikita Melkozerow wurde als „extremistisch“ eingestuft. Auf diesem YouTube-Kanal findet man Interviews mit unter anderem bürgerlichen Aktivisten, Politikern und berühmten belarusischen Kulturpersönlichkeiten. Der Instagram-Blogger Rostislaw Tschepurnoj, der über einen Arbeiterprotest in einer belarusischen Milchfabrik berichtete, wurde festgenommen und eine staatliche Zeitung veröffentlichte online sein „Geständnisvideo“. Regimetreue Telegram-Kanäle zeigten eine Geschichte über einen Lehrer, der den Standort russischer Truppen an den Fernsehsender Belsat weiterleitete. Ihm drohen sieben Jahre Gefängnis.
Durchgreifen in einem kürzlich eröffneten Buchladen mit belarusischen Geschichtsbüchern. Das Regime nimmt zunehmend öffentliche Manifestationen der belarusischen Identität und Kultur ins Visier. Im ersten Halbjahr 2022 wurden die Tätigkeiten von vier belarusischen Verlagshäusern gestört, die Bücher auf belarusischer Sprache veröffentlichten. Am 16. Mai kritisierten belarusische Propagandisten der Staatsmedien einen neu eröffneten Buchladen in Minsk, in dem Geschichtsbücher auf belarusischer Sprache verkauft wurden. Ein paar Stunden später führten die Strafverfolgungsbehörden eine Razzia in dem Buchladen durch. Die Staatspropagandisten agieren in Belarus zunehmend als staatskontrollierende Einheit, die Manifestationen der belarusischen Identität in der Öffentlichkeit kontrollieren und die repressiven Maßnahmen des Staates gegen sie anleiten.
Lukaschenko fordert mehr aktive „Gegenpropaganda“. Am 31. Mai stand Lukaschenko einem hochrangigen Treffen zum Thema Propaganda vor. „Das Wichtigste ist, Gegenpropaganda schalten zu können, wie es in der Sowjetunion genannt wurde“, sagte er. Nach dem Treffen äußerte der Leiter der Präsidialverwaltung, KGB-Generalmajor Igor Sergejenko: „Sie können in den Medien sagen, was Sie wollen. Das Wichtigste ist, sich vor den Menschen, der Gesellschaft, sich selbst und dem Recht dafür zu verantworten.“ Derweil dokumentierten belarusische Menschenrechtsvertreter den Fall einer Person, die aus politischen Gründen verhaftet wurde und gezwungen wurde, drei Nächte in Folge in einem gesonderten Raum im Haftzentrum Lukaschenkos Reden stehend anzusehen (von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens).
Juni 2022
Neue „extremistische“ Medien und „terroristische“ Blogger. Mehr als 50 neue Namen stehen auf der Liste der extremistischen Materialien, darunter die persönlichen Facebook- und Instagram-Konten belarusischer Aktivisten. Unter anderem wurde das Projekt „Belarusischer Kulturrat“, dessen Website und soziale Medien auf die Liste der „extremistischen Gruppierungen“ gesetzt. Sieben Telegram-Kanäle, darunter der politische Humorkanal „Us Lukashenka“ („Lukaschenkos Schnurrbart“), wurden als „extremistische Gruppen“ eingestuft. Das KGB setzte den Blogger Ihar Losik, der Ende 2021 zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, auf die Liste der Terroristen. Repressive Razzien gegen Blogger werden weiter durchgeführt und regimetreue Telegram-Kanäle veröffentlichten „Geständnisvideos“ von ein paar TikTok-Bloggern, darunter Alexej Bondar, der mit seinem TikTok-Kanal lexmask über 57 000 Follower hat.
Sechs Jahre Haft für einen Journalisten und andere Akte der Unterdrückung gegen in den Medien Tätige. Am 8. Juni wurde der freie Journalist für den belarusischen Dienst von Radio Liberty, Andrej Kuznetschik, zu sechs Jahren Haft unter strikten Auflagen verurteilt. Er wurde der Schaffung einer „extremistischen Gruppierung“ beschuldigt. Am 6. Juni begann der Gerichtsprozess über die größte unabhängige Nachrichtenagentur, Belapan. Vier Belapan-Angestellte, darunter die Chefredakteurin Irina Lewschina und der ehemalige Belapan-Direktor Dimitri Nowoschilow, werden der „Organisation einer extremistischen Gruppierung“ und Steuerdelikten beschuldigt. Der Belapan-Journalist Andrej Alexandrow wird außerdem des Verrats bezichtigt.
Die Chefredakteurin der unabhängigen Zeitung Novy Chas (Neue Zeit) Oksana Kolb wurde zu 2,5 Jahren Haft verurteilt. Die Redaktionsteams der größten Automobil-Website abw.by und der größten IT-Website dev.by wurden verurteilt. Die belarusische Journalistin Tina Polynskaya musste etwa 1 500 USD Bußgeld zahlen, weil sie blaue und gelbe Schleifen (die Farben der ukrainischen Flagge) an ihrer Tasche hatte. Die Behörden durchsuchten ihre Wohnung, nachdem sie einen kritischen Beitrag über den Besuch des Leiters der russischen orthodoxen Kirche in Belarus auf Facebook veröffentlichte. Der freie Photograph Evgeny Yerchak, der mit Tut.by zusammenarbeitete, wurde verhaftet. Dem Chefredakteur von Ezhednievnik, Sergej Satsuk, drohen zwei weitere Strafanzeigen.
Lesen Sie hier auch unseren früheren Artikel zu politischen Gefangenen in Belarus.
Mehr Menschen für kritische Kommentare online als „Terroristen“ eingestuft. Im Juni setzte das belarusische KGB dutzende belarusische Staatsbürger auf die Liste der Terroristen. Darunter die Oppositionsführerin Swjatlana Zichanouskaja (die von Litauen aus arbeitet), Blogger und Aktivisten sowie normale Bürger, die kritische Kommentare über einen KGB-Beamten veröffentlichten, der letztes Jahr in einer Schießerei ums Leben kam. Es wurden weiterhin harte Urteile für die Ausübung der Meinungsfreiheit verhängt. Eine 57-jährige Frau wurde zum Beispiel zu 1,5 Jahren Haft verurteilt, weil sie Lukaschenko in einem Brief an den Untersuchungsausschuss einen „Usurpator“ nannte. Es wurden auch weiterhin harte Urteile für Menschen verkündet, die russische Militärbewegungen in Belarus aufnahmen. Eine 27-jährige Frau wurde zum Beispiel zu vier Jahren Hausarrest verurteilt, weil sie die Bewegungen des russischen Militärs in Belarus filmte und das Video an eine „extremistische Gruppierung“ sendete.
Mehr „Koordination“ von Belarus und Russland in der Medienwelt. Am 27. Juni traf der belarusische Informationsminister Wladimir Pertsow sich in Moskau mit Andrej Lipow, dem Vorsitzenden von Roskomnadzor, dem russischen Föderalen Kommunikations- und Massenmedienbeobachtungsdienst. Nach Angaben des belarusischen Informationsministeriums besprachen sie „aktuelle Entwicklungen bei der Regulierung von Medien und rechtlichen Beziehungen im digitalen Raum“. Die zwei Seiten könnten eine Koordination und Intensivierung ihrer Bemühungen, den Zugang zu unabhängigen Medien zu beschränkten, planen.
Drohung des eingeschränkten Zugriffs auf YouTube. Der Vorsitzende des belarusischen Rundfunkunternehmens, Ivan Eismont, drohte damit, den Zugang zu YouTube in Belarus gänzlich einzuschränken, wenn die YouTube-Kanäle der Staatsmedien gesperrt werden. „Wenn keine offiziellen belarusischen Inhalte mehr in den sozialen Medien sind, dann stellt sich die Frage, ob wir solche Netzwerke benötigen“, sagte Eismont in einem Interview.
Juli 2022
Mehr Einschränkungen und „extremistische“ Medienkanäle. Das Europäische Radio für Belarus (Euroradio) wurde als „extremistische Gruppierung“ eingestuft. Der unabhängige regionale Medienkanal Hrodna.life und dessen Konten in sozialen Medien sowie die Website des polnischen Radiosenders Polskieradio.pl wurden als „extremistisch“ eingestuft. Auch der Instagram-Hashtag #svobodnayabelarus („#befreitBelarus“) gilt als „extremistisch“. Der Online-Zugang zum Wirtschaftsmagazin Belarus und der Markt, der Websites vkletochku.org und politzek.me (die Kommunikation mit politischen Gefangenen ermöglichten) und zum belarusischen Untersuchungszentrum wurde eingeschränkt. Arche.by, die Website eines belarusischen Geschichtsmagazins, wurde für das „Verbreiten extremistischer Materialien“ eingeschränkt.
Die Einstufung als Terrorist und 6,5 Jahre Haft für das Teilen eines Beitrags gegen den Krieg in sozialen Medien. Es werden weiterhin Einzelpersonen dafür inhaftiert, Inhalte von unabhängigen Medien in öffentlichen Chats und ihren privaten Konten in sozialen Medien zu teilen. Seit Juli wurden mehr als 130 belarusische Staatsbürger auf die „Liste der Terroristen“ gesetzt, meist nur für das Verbreiten „extremistischer“ Inhalte.
Menschenrechtsvertreter berichten von einer 20-jährigen Studentin, Danuta Perednya, die zu 6,5 Jahren Haft verurteilt wurde für die „Verletzung der nationalen Interessen von Belarus“ und die „Beleidigung Lukaschenkos“. Ihre „Straftaten“ bestanden darin, eine Nachricht mit Kritik an Putin und Lukaschenko für den Krieg in der Ukraine in einem Telegram-Chat zu teilen. Auch Perednya wurde auf die „Liste der Terroristen“ gesetzt.
Eine Journalistin erhält acht weitere Jahre Haft für „Verrat“. Die Belsat-Journalistin Katerina Andrejewa wurde zu acht Jahren Haft verurteilt für die „Übermittlung von belarusischen Staatsgeheimnissen an ein fremdes Land, eine internationale oder fremde Organisation und deren Vertreter“. Andrejewa büßt bereits eine zweijährige Haft für das Streamen einer Protestrallye in Minsk im November 2020 ab.
Unterdrückung von Journalisten und TikTok-Bloggern. Der Journalist Juri Hantsarewitsch wurde zu 2,5 Jahren Haft verurteilt für die Verbreitung von Fotos mit russischer Militärausrüstung in Belarus. Der führende belarusische Militärexperte und Blogger Jegor Lebiadok wurde unter dubiosen Anklagen verhaftet. Der Journalist Pawel Dailid wurde dafür verhaftet, 2020 bei einem sanktionierten Protest ein Foto mit der weiß-rot-weißen Flagge aufgenommen zu haben. Regimetreue Telegram-Kanäle veröffentlichten das „Geständnisvideo“ des schlimm verprügelten TikTok-Bloggers Alexander Gurnik. Der TikTok-Blogger Yaroslaw Velichko mit über 20 000 Followern wurde verhaftet. Regimetreue Telegram-Kanäle veröffentlichten sein „Geständnisvideo“. In letzter Zeit zielen die Behörden hauptsächlich auf TikTok-Blogger, vermutlich weil die meisten YouTube-Blogger bereits ausgewandert sind oder verhaftet wurden und aufgrund der wachsenden Beliebtheit von TikTok in Belarus.
Nach Angaben des belarusischen Journalistenverbands haben seit 2020 mehr als 400 Journalisten Belarus verlassen.