DESINFORMATION IM JAHR 2021: DIE PEINLICHSTEN MOMENTE

Kremlfreundliche Medien weben meist raffinierte Netze der Lügen. Doch manchmal passieren ungeschickte Fehler. Wir haben 10 Beispiele aus dem Jahr 2021 zusammengetragen, in denen kremlfreundliche Medien dabei erwischt wurden, absurde, völlig übertriebene und besonders peinliche Desinformation zu verbreiten.
1. Das komplette Geständnis Russlands

Ukraine – Russland
Nachdem der Kreml die Anwesenheit des russischen Militärs in der Ostukraine jahrelang leugnete, was EUvsDisinfo nicht davon abhielt, Nachweise für die illegale Annexion der Krim durch Russland aufzudecken und zu sammeln, gibt es jetzt eindeutige Beweise von der russischen Regierung selbst.
In einem Strafverfahren wegen Korruption gegen einen lokalen Lebensmittellieferanten veröffentlichte das Bezirksgericht Kirowski in der russischen Stadt Rostow am Don versehentlich Informationen über eine Nahrungsmittellieferung an die russische Armee, die in den nach eigenen Angaben separatistischen Gebieten in der Ostukraine stationiert waren. Der Lieferant war für zweiwöchentliche Lieferungen von 1 300 Tonnen Nahrungsmitteln an die russischen Truppen im Donbas zuständig. Ein Angestellter des Unternehmens wurde angeklagt, mit einem leitenden Offizier des russischen Militärs Bestechungsgeld in Höhe von 990 000 RUB (13 400 USD) ausgehandelt zu haben, und wurde zu fünfeinhalb Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Der Sprecher es Kreml Dmitri Peskow nannte den Verweis auf das russische Militär im Urteil einen „Fehler“, woraufhin das Dokument von der Website des Gerichts verschwand. Eine archivierte Kopie ist online verfügbar.
2. Die Guten und die Bösen
Während eines Interviews mit einem Parlamentsmitglied aus Belarus an der Grenze zwischen Polen und Belarus, das die entsetzliche Situation der dort gestrandeten Menschen und die humanitäre Reaktion von Seiten Belarus zeigen sollte, sieht man im Hintergrund uniformierte, maskierte und bewaffnete Wachen, welche die Migrierenden im Grunde gefangen halten. Kremlfreundliche Medien und das Staatsfernsehen in Belarus setzen die Bilder ein, um Polen und die EU als unmenschlich und aggressiv darzustellen, im Gegensatz zum als humanitär dargestellten Belarus. Diese Desinformationsartikel lenken davon ab, dass Alexander Lukaschenko systematisch Menschen für seine politischen Zwecke ausnutzt und von den erschütternden Bildern menschlichen Leidens profitiert.
3. Die Sexualität von Jesus Christus

„IN ZAHLREICHEN WESTLICHEN LÄNDERN WIRD IN DER SCHULE GELEHRT, DASS JESUS CHRISTUS BISEXUELL WAR“ – DIE KRITIKER SIND AUSLÄNDISCHE AGENTEN!
Der russische Außenminister Sergej Lawrow nutzte seinen Artikel zur russischen Außenpolitik, deren Grundsätze, Visionen und Ziele, mit über 4 000 Wörtern als wertegeladenen Angriff auf das westliche Bildungssystem. Der Minister behauptete: „In zahlreichen westlichen Ländern wird in der Schule gelehrt, dass Jesus Christus bisexuell war.“ Dies wurde schnell von Journalistinnen und Journalisten aufgegriffen und enthüllt. Unabhängige russische Journalistinnen und Journalisten konnten Lawrows Worte auf ein beliebtes TikTok-Video zurückführen. Ein Kind in Australien argumentiert in dem Video, dass Jesus „bi und nicht-binär“ war, da er jeden liebte und als Mann ein Kleid trug. Wir würden dies nicht als sonderlich vertrauenswürdige Quelle für ein staatliches Dokument betrachten und empfehlen dem betroffenen russischen Minister, seine Quellen gründlicher zu prüfen.
4. Mascha und der Bär
Zum Thema einen Bären aufbinden: Ein Medienkanal in Nordrussland hat einen Scherz einer satirischen Seite als echte Nachrichten missverstanden: Fünfjähriger in Schweden in Pflegefamilie, nachdem seine Eltern ihm den verbotenen russischen Film „Mascha und der Bär“ zeigten. Nein, Mascha und der Bär ist in Schweden nicht verboten; nicht einmal am 1. April.
5. Zweiseitige Berichterstattung zu COVID-19
Die Anzahl der Desinformationsartikel zu COVID-19 und Impfungen in unserer Datenbank ist leider stetig gestiegen. Das Jahr 2021 brachte einen neuen Aspekt zur Berichterstattung zu COVID-19 durch kremlfreundliche Medien. Nutzerinnen und Nutzer in sozialen Medien zeigten die Doppelmoral der kremlfreundlichen Berichterstattung zu Impfungen auf: Die russische Leserschaft wurde angeregt, sich impfen zu lassen, doch die englischen Ausgaben von RT und Sputnik bezeichneten die Pandemie als Schwindel und verbreiteten Behauptungen gegen Impfungen.
6. Lebensmittelunruhen in Europa zu Weihnachten?

Foto von AFP 2021, Tolga Akmen
Lebensmittel sind im Westen im Überfluss vorhanden, doch kremlfreundliche Medien behaupten, dass Nahrungsmittelknappheiten zu einem Mangel an Weihnachtsleckereien auf europäischen Tafeln sowie Lebensmittelunruhen führen werden. Tatsächlich gab es kleinere Probleme mit Lebensmittellieferungen im Vereinigten Königreich aufgrund des Brexit und einem Mangel an Lkw-Fahrenden, doch Lebensmittelkämpfe, ein Mangel an medizinischen Versorgungsgütern, Kraftstoff oder Auseinandersetzungen mit der Polizei sucht man vergeblich. Es sei denn, sie meinten La Tomatina – doch selbst dieser Tomatenkrieg wurde aufgrund der Pandemie abgesagt.
7. Digitaler Bart und Mangel an Männern

45 % der russischen Bevölkerung sehen keine echten Männer im Land
Asexuelle Emojis verursachten Aufruhr im russischen Parlament: Angeblich greift der Westen Russland als letzte Bastion der Männlichkeit mit bärtigen Frauen und femininen Männern an.
Merkwürdigerweise veröffentlichte das russische Staatsinstitut für Meinungsforschung, VTsIOM, eine Umfrage zu echten Männern, in dem die Eigenschaften der Männlichkeit dargelegt wurden. Die Umfrage wurde von mehreren kremlfreundlichen Medienkanälen verbreitet und nennt die folgenden Eigenschaften echter Männer: Ehrlichkeit (19 %), Zuverlässigkeit (14 %) und Gerechtigkeit (9 %). Doch von den 1 600 Befragten konnten 45 % nicht einen „echten Mann“ in Russland nennen.
8. Krimineller Schneemann und ein Fernseherkarton

Foto von Radio Liberty Belarus
Die historische weiß-rot-weiße Flagge wurde ein Symbol der Massenproteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Belarus am 9. August 2020. Tausende Menschen wurden verhaftet und bestraft. Darunter ein Hausbesitzer, der in seinem Vorgarten einen Schneemann mit rotem Schal und der Inschrift „Lang lebe Belarus“ stehen hatte, eine Frau, die Socken in der „falschen“ Farbe trug, und ein Bewohner von Minsk, der in seinem Wohnungsfenster einen Fernseherkarton mit weiß-roter Farbe ausstellte. Auch wenn die Kriminalisierung von Schneemännern, leeren Kartons und weiß-rot-weißen Socken lachhaft klingt, die Konsequenzen, die die Bevölkerung von Belarus erleidet, sind erschreckend real.
9. Eurovision verspotten

EUROVISION 2021: RUSSISCHE NATIONALISTEN ÜBER MANIZHA – „SCHLIMMER ALS DIE HÖLLE“ – „SABOTAGE DER RUSSISCHEN KULTUR“ – „EIN AUSGEKLÜGELTER PLAN, DIE FAMILIE ZU ZERSTÖREN“ – „IHRE GROẞMUTTER WÜRDE SICH SCHÄMEN“
Der Eurovision Song Contest ist eines der größten kulturellen Ereignisse der Welt mit rund einer Milliarde Zuschauerinnen und Zuschauern. Ein fröhliches Ereignis, das Liedermacher und Liedermacherinnen aus Europa und darüber hinaus mit ihren Fans verbindet. Russland erzielt beim Eurovision meist gute Ergebnisse. Doch 2021 war die Nominierung der tadschikischen Sängerin Manizha per Volksabstimmung über den russischen Kanal 1 mehr als besorgniserregend. Die feministische Migrantin spricht sich für die Rechte Homosexueller aus und singt über die Ermächtigung von Frauen und sorgte damit für ziemlichen Aufruhr in nationalistischen Kreisen. Tsargrad ist ein Online-Nachrichtenkanal des nationalistischen Oligarchen Konstantin Malofejew und verglich Eurovision mit einem weltweiten Mechanismus für die ideologische Einrichtung einer kolonialen Ordnung, die Hass gegen Russland verbreitet und von den USA kontrolliert wird. Stimmt das?
Hier ein Auszug aus den Texten von Manizha:
Jede Russin muss wissen:
Du bist stark genug, du wirst die Wand durchbrechen.
Hey, Russin,
hab keine Angst, mein Mädchen
10. Comedians werden abgesetzt
Eine Sendung auf dem Kanal TNT, Once upon a Time in Russia (Es war einmal in Russland), wurde abgesetzt, nachdem die Comedians eine Vorreiterin und zwei Vorreiter des kremlfreundlichen Sarkasmus parodierten: Die TV-Moderatorin Olga Skabejewa von Rossiya 1, den Leiter der State Media Holding Rossiya Segodnya Dmitry Kisseljow und den TV-Moderator Wladimir Solowjow. Die Comedians hätten eindeutig weiter Scherze auf Kosten von Greta Thunberg oder Nawalny bringen sollen, anstatt die loyalen Bediensteten des Kreml gutgelaunter Kritik auszusetzen.
Desinformation ist nicht zum Lachen
Zwar kichert man manchmal aufgrund der Absurdität einiger Versuche zur Desinformation, doch wir sollten nicht vergessen, dass Humor, Spott oder Hahaganda einige der bevorzugten Desinformationsmethoden der Tatsachenverdreher des Kreml sind. Infoshum, also das Überschwemmen des Informationsraums mit Rauschen und unglaubwürdigen Behauptungen, dient einem Zweck: von der Wahrheit abzulenken. Wenn Sie das nächste mal ein lustiges Meme sehen, bedenken Sie, dass Satire und Humor auch eingesetzt werden können, um jemanden zu verleumden, zu desinformieren oder zu verspotten.
2021 vergiftete Desinformation nicht nur unsere Demokratien. Sie beeinflusste alltägliche Entscheidungen, von der Nahrung, die wir zu uns nehmen, zu der Kleidung, die wir tragen, oder den Impfstoffen, die wir uns (nicht) spritzen lassen. Lassen Sie uns im Jahr 2022 aus der Vergangenheit lernen und die Wahrheit so zugänglich und ansprechend darstellen, dass sie nicht ignoriert werden kann.
Sehen Sie sich beispielsweise an, welche Fehler kremlfreundliche Desinformation gemacht hat im Jahre:
2020: DESINFORMATION IM JAHR 2020: DIE PEINLICHSTEN MOMENTE