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Ein Film als „neuer Beweis für den gefälschten Chemiewaffenangriff“ – schon wieder

April 26, 2018

Ein kleines Mädchen in türkisfarbenem T-Shirt und Hose, ein Junge und ein älterer Mann, die auf einem Fahrzeug liegen. Sie scheinen tot zu sein, doch gleichzeitig sind sie von einer sauber gekleideten Filmcrew mit Kameras umgeben. Was passiert dort?

Die wahre Geschichte hinter diesen Bildern—und den oben beschriebenen Personen—ist, dass sie fälschlicherweise im staatlich kontrollierten russischen Fernsehen präsentiert wurden, und zwar als „neuer Beweis für einen gefälschten Chemiewaffenangriff“ am 7. April in Duma in Syrien. „Die westlichen Politiker und Medien ignorieren den offensichtlichen Beweis, dass es keinen Chemiewaffenangriff in Duma gegeben hat“, erklärt der Moderator während die Bilder auf dem Perviy Kanal gezeigt werden.

Tatsache ist jedoch, dass die Bilder schon 2016 veröffentlicht wurden, wie die beiden unabhängigen russischen Medien The Insider und TV Doschd schnell bemerkten. Die Bilder zeigen die Dreharbeiten eines in Syrien geborenen Regisseurs, der durch den Film die internationale Aufmerksamkeit auf die Opfer des Saringasangriffes im Jahr 2013 lenken möchte.

Gut vorbereitete Desinformation

Nur eine Woche vorher wurde das russische Staatsfernsehen dabei erwischt, wie es erneut Bilder von einem anderen Film, Revolution Man, recycelte und als „Beweis dafür, dass die Weißhelme Bilder fälschen“ ausgab. Dieselbe Desinformation wurde erstmals im März auf dem Fernsehkanal des russischen Verteidigungsministeriums, Swesda, veröffentlicht, einen Monat vor dem tatsächlichen Angriff.

Als erstmals Berichte über einen Chemiewaffenangriff in Duma auftauchten, war die kremlfreundliche Desinformationsmaschinerie folglich gut vorbereitet. Seit 2015 wurde die freiwillige Helfergruppe der Weißhelme diskreditiert, doch nahmen die Bemühungen nach dem Chemiewaffenangriff in Chan Scheichun letztes Jahr zu. Und sie hörten auch nicht auf, als die Ermittler für Kriegsverbrechen der Vereinten Nationen zu dem Schluss gekommen waren, dass der Angriff von der syrischen Regierung ausgeführt wurde. Letzte Woche bezog sich das russische Verteidigungsministerium wieder fälschlicherweise auf die Weißhelme, „die für ihre Manipulation Kinder benutzen, um einen angeblichen Chemiewaffenangriff in Chan Scheichun zu inszenieren“.

Der anschwellende Fluss der Desinformationen

Wenn das Ziel nicht die Information, sondern die Desinformation des Publikums ist, wird das Erreichen dieses Ziels nicht dadurch verhindert, beim Lügen erwischt zu werden. Die Priorität besteht im Erstarken des Desinformationsnarrativs durch eine Flut neuer Geschichten. Dieser Ansatz wurde etwa mittels einer Variation falscher Nachrichten verfolgt, worin es heißt, „westliche Methoden in Syrien sind wie Nazi-Propaganda von 1939“ oder dass „der Westen Armenien destabilisiert um Russland in Syrien zu schwächen“.

Ein niedrigeres Niveau an Desinformationsaktivität konnte im Zuge der Bürgerproteste in Armenien beobachtet werden. Desinformationsmedien wiederholten die erwartbare falsche Nachricht eines „Maidan Szenario“: Der Westen steckt hinter den armenischen Protesten. Doch dieses Mal folgte die Berichterstattung auf den russischen Hauptfernsehkanälen vorsichtig der Position des russischen Außenministeriums und wies diese Parallelen zurück.

Coda story interviewt den Lugar-Labordirektor.

Im benachbarten Georgien konnte man die Verbreitung einer neuen Welle alter Desinformationen zu von den USA entwickelten biologische Waffen in der Region beobachten. Das russische Außenministerium sah eine Verbindung zum Angriff in Salisbury und die Desinformation wurde in georgischer Sprache wiederholt.

Ein weiterer Artikel handelte davon, dass die in der Nähe des sogenannten Lugar-Labors lebende Menschen wie die „Patienten von Mengele“ seien: Sie würden nichts von der Bedrohung ahnen, jedoch später verstehen, dass sie sich in Todeslagern befinden. Um Ihren Kopf von dieser bereits mehrere Jahre alten Desinformation frei zu bekommen, gibt es dazu hier die Fakten.

Übersetzungen aus dem Englischen: Astrid Schwaderer