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Hektik bricht aus, um unrechtmäßig besetzte Gebiete zu halten

September 22, 2022

In der vergangenen Woche wurde in unserem Disinformation Review auf das verrückte Gerangel der kremlfreundlichen Desinformationsexperten bei ihrem Versuch, den Umfang und den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete zu verheimlichen, eingegangen. In dieser Woche hat das kremlfreundliche Desinformationsökosystem ebenso abscheuliche Aufgaben übernommen – die russische Besetzung der Ukraine durch unrechtmäßige Referenden zu rechtfertigen und von den Kriegsverbrechen abzulenken, die von den russischen Invasionstruppen in den nun befreiten Gebieten der Ukraine begangen wurden.

Die Abhaltung illegitimer Referenden zur Rechtfertigung offenkundiger Landnahme ist eine alte Seite aus dem Handbuch des Kremls, wie man die Gebiete seiner Nachbarn annektiert. Russland nutzte dieselbe Taktik bereits im Jahr 2014, um die illegale Annexion der Krim zu rechtfertigen. Als russische staatlich kontrollierte Desinformationskanäle ihre Absicht erklärten, ähnliche Referenden in den von Russland besetzten Gebieten in den Regionen Luhansk, Cherson und Donezk abzuhalten, stellte das wahrlich keine Überraschung dar. Tatsächlich verfolgt EUvsDisinfo die Bestrebungen der Verbreiter kremlfreundlicher Desinformation, das Informationsumfeld auf eine solche Ankündigung vorzubereiten, schon seit geraumer Zeit.

Diese sogenannten Referenden werden keine internationale Rechtskraft besitzen und wurden weltweit bereits von wichtigen Persönlichkeiten der Politik, darunter dem Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell, auf das Schärfste verurteilt. Dennoch hat die russische staatlich kontrollierte Desinformationsmaschinerie einen höheren Gang zur Verbreitung von Desinformation über die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit dieser Volksentscheide eingelegt. Wie erwartet, wurde in einigen Desinformationsnarrativen die Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit begrüßt und behauptet, dass die Menschen sich Russland anschließen wollten, während in anderen weiterhin mit der bekannten Kreml-Linie des von der Ukraine angeblich begangenen Genozids in der Region hausieren gegangen wurde. In anderen Desinformationsnarrativen wird ausgesagt, dass die besetzten Gebiete kulturell zu Russland gehören oder dass die Menschen in diesen Regionen sich nur sicher fühlen können, wenn sie in Russland eingegliedert werden. Doch die allgemeine kremlfreundliche Botschaft ist eindeutig – nur Russland kann euch beschützen.

„Teilmobilmachung“

Die Dringlichkeit, die unrechtmäßigen Volksabstimmungen zu verkünden, kommt nicht von ungefähr. Es handelt sich um eine bewusste Taktik, damit sich die Situation zuspitzt. Das wurde deutlich, als der Regent im Kreml in einer beängstigenden Erklärung voller offensichtlicher Lügen und offener Drohungen eine Teilmobilmachung ankündigte.

Egal, wie sehr mithilfe kremlfreundlicher Desinformation Anstrengungen unternommen werden, den Sachverhalt zu verschleiern oder zu verdrehen, der Schritt des Kremls ist ziemlich offensichtlich. Zunächst werden unrechtmäßige Referenden abgehalten, um die besetzten Gebiete in der Ukraine zu einem Teil Russlands zu erklären. Dann wird die ukrainische Gegenoffensive zur Befreiung der Gebiete als Angriff auf Russland dargestellt und muss als Grund zur Mobilmachung herhalten.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Kreml auf unverhohlenen Orwellschen Neusprech zurückgreift, um die Realität so zu verzerren, dass sie seiner geopolitischen Agenda entspricht. Der Kreml wählte derartige Worte schon, um den unrechtmäßigen und unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine einzuleiten. Er benutzte sie zur vermeintlich vernünftigen Erklärung für den ständigen Wechsel der militärischen Ziele in der Ukraine. Und er setzte sie ein, um die Anstiftung zu Gewalt und Hassreden während des gesamten brutalen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu tarnen. Nun benutzt der Kreml erneut dieselbe Art von Neusprech, um seine Lügen als Wahrheit zu verkaufen.

Blutige Spur der sich zurückziehenden russischen Invasoren

Am 15. September 2022, nur fünf Tage nachdem die ukrainischen Streitkräfte die Stadt Isjum befreit hatten, erfuhr die Welt, was viele Menschen bereits befürchtet hatten. Mehrere Massengräber mit Hunderten Angehörigen der ukrainischen Zivilbevölkerung und Streitkräfte, die von russischen Invasoren ermordet worden waren, wurden in den nahe gelegenen Wäldern entdeckt. Solche Anblicke stehen in krassem Widerspruch zu dem vom Kreml seit langem verbreiteten Desinformationsnarrativ, Russland würde die Menschen in der Ukraine aus Diskriminierung und Missbrauch befreien. Das kremlfreundliche Desinformationsökosystem ist natürlich sofort in Aktion getreten, um den Kreislauf von Tod und Lügen des Kremls in Schwung zu halten.

Schnell wurden Anschuldigungen verbreitet, dass die Ukraine eine „ähnliche Provokation wie in Butscha“ inszeniere, und das Land wurde beschuldigt, ein terroristischer Staat zu sein. Und für den Fall, dass das Leugnen und Ablenken nicht funktionieren sollte, waren die russischen Desinformationskanäle selbstredend ebenso schnell damit, die Bevölkerung von Isjum als Nazis zu bezeichnen. Doch während kremlfreundliche Experten von einem „Genozid im Donbas“ fabulieren, bleibt die erschütternde Wahrheit, dass die russischen Invasionstruppen echte Gräueltaten begehen, darunter die Einrichtung eines „Filtersystems“ zur gewaltsamen und illegalen Deportation von Hunderttausenden Ukrainerinnen und Ukrainern nach Russland.

Die Wiederholung wiederholen

Wenn es ein Wort gibt, das die kremlfreundliche Desinformation ausgesprochen gut beschreibt, dann ist es „Wiederholung“. Der Kreislauf des Leugnens, der Provokation, der Zurückweisung von Schuld und des Vortäuschens von Gerechtigkeit wurde von kremlfreundlichen Desinformationskanälen während des gesamten Krieges wiederholt. Wir durften diese Taktik erleben, als Kommentierende versuchten, Kriegsverbrechen in Butscha zu vertuschen, die Bombardierung einer Entbindungsstation in Mariupol zu rechtfertigen, für den Beschuss des Bahnhofs in Kramatorsk die Schuld von sich zu weisen und die Angriffe in Krementschuk zu leugnen.

Das neuartige und bei weitem abscheulichste Element der kremlfreundlichen Desinformation über Isjum ist das schamlose Eingeständnis der Verbrechen, um Angst zu schüren und mit Russlands Macht zu prahlen. Aber die Welt erkennt, worum es geht. Unmenschliche Verbrechen durch rücksichtslose und ruchlose Invasoren gegen Unschuldige.

Diese Woche ebenfalls auf dem Radar von EUvsDisinfo:

  • Kremlfreundliche Desinformationskanäle behaupten fälschlicherweise, der Westen verlängere den Krieg absichtlich, um Russland zu schaden. Dies ist eine seit langem beliebte kremlfreundliche Desinformationsbotschaft, die den Westen fälschlicherweise dafür anklagt, Russland zu destabilisieren. Damit wird versucht, Russland als Opfer darzustellen und die öffentliche Unterstützung des Westens für Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung gegen die unprovozierte Aggression Russlands zu untergraben. Entgegen dieser Behauptung haben die westlichen Nationen alles getan, um den Krieg zu verhindern.
  • Einige russische Desinformationsexperten behaupten nun, russophobe europäische Politiker seien schuld an der Energiekrise und Europa werde im kommenden Winter frieren. Es handelt sich um ein zunehmend populäres kremlfreundliches Desinformationsnarrativ, das andeutet, die Energiekrise in Europa sei durch die EU-Sanktionen gegen Russland verursacht worden. In Wahrheit versucht der Kreml, die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zu erpressen und in der Öffentlichkeit Panik wegen der Energiekosten und der damit verbundenen Energieunsicherheit zu verbreiten. Tatsächlich haben die EU-Mitgliedstaaten zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der Energieversorgung in der EU zu erhöhen. Trotz der geringeren russischen Gaslieferungen ist die EU für den kommenden Winter gerüstet.
  • Das kremlfreundliche Desinformationsökosystem verbreitet weiterhin Unwahrheiten über die nukleare Sicherheit. Zu den jüngsten Desinformationsnarrativen gehört die unbegründete Behauptung, dass die ukrainischen Behörden einen Atomkrieg in Europa provozieren wollen. Es handelt sich nicht um das erste Mal, dass die Manipulations- und Desinformationsmaschinerie des Kremls die Angst vor einer nuklearen Katastrophe verstärkt, um ihre politischen und militärischen Ziele in der Ukraine voranzutreiben.