Manipulation, Zensur und Desinformationsfallen: Verschiedene Herausforderungen für die Demokratie
Desinformation aus journalistischer Sicht. Teil 3: Armenien:
Vertrauenswürdiger Journalismus ist das Herzstück einer demokratischen Gesellschaft. Zur Feier des Welttags der Pressefreiheit hat EUvsDisinfo eine Artikelreihe veröffentlicht, um dem unabhängigen Journalismus in Ländern der Östlichen Partnerschaft eine Stimme zu verleihen. Teil 3. Armenien:
EUvsDisinfo sprach mit drei armenischen Journalistinnen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund: Tatev Danielyan, Journalistin und Chefredakteurin der aktuellen Nachrichten beim armenischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Kommentatorin der Sonntagsnachrichten; Ami Chichakyan, Journalistin bei der Tageszeitung „Aravot“; und Naira Nalbandyan, Journalistin im Lokalfernsehen und jetzt bei Radio Liberty.
Sie haben die Realität der Arbeit in einer vom Krieg betroffenen Umgebung erfahren. Sie wissen, dass Desinformation darin fast überall und täglich in Erscheinung tritt und kennen die Herausforderungen beim Erstellen von guten, hochwertigen Nachrichten. Lesen Sie hier ihre Ansichten und Empfehlungen.
Warum ist Journalismus wichtig?
Ami Chichakyan:
Journalismus ist eines der Elemente der Demokratie. Über Journalismus können die Menschen objektive, unvoreingenommene Informationen über Ereignisse erhalten. Sie können sich über ihre Rechte und Pflichten informieren und haben eine Plattform, auf der sie ihre Bedenken äußern und ihre Geschichte erzählen können.
Tatev Danielyan:
Ich denke, die Rolle des Journalismus umfasst nicht nur die Informationsdarbietung, sondern auch Schutz durch Sensibilisierung. Ich liebe Journalismus, besonders wenn man der Öffentlichkeit hilft, sich zu orientieren und die Hintergründe zu den gesprochenen Worten und unternommenen Schritten herauszufinden.

Tatev Danielyan; Journalistin und Chefredakteurin der aktuellen Nachrichten beim armenischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Kommentatorin der Sonntagsnachrichten
Naira Nalbandyan:
Der Journalismus spielt eine wichtige Rolle dabei, die Transparenz der Arbeit der Behörden und die Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit sicherzustellen. Die Fragen zu stellen.
Es ist komplizierter geworden, korrekte, umfassende und geprüfte Informationen zu erhalten, da es immer mehr Plattformen und Möglichkeiten gibt, Fehlinformationen zu verbreiten. Selbst Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen haben teils Schwierigkeiten, Desinformation von echten Nachrichten zu unterscheiden.
Wie oft begegnet Ihnen Desinformation?
Ami Chichakyan:
Es ist heutzutage schwer, Desinformation zu vermeiden. Sie verfolgt uns überallhin.
Naira Nalbandyan:
Wir sind jeden Tag damit konfrontiert. Wir stoßen dabei auch auf angeleitete und systematische Fälle der Verbreitung von Desinformation. Wenn ein echtes Foto, ein Fall oder eine Regierungsentscheidung in der verbreiteten Desinformation zitiert wird, um für Glaubwürdigkeit zu sorgen, wird gleichzeitig zusätzliche Information mit absoluter Desinformation dargestellt.
Wie kann Desinformation Schaden anrichten?
Tatev Danielyan:
Ich begegne Desinformation tagtäglich. Die Hauptgefahr besteht in der Manipulation. Der Hauptzweck von Desinformation ist es, Menschen beeinflussbar zu machen. Daher kann sie ernsthafte politische Konsequenzen haben. Außerdem hat sie auch sichtbare Auswirkungen. Beispielsweise wenn ein Medienkanal oder ein Blogger/eine Bloggerin mit breitem Publikum über die Risiken eines Impfstoffes spricht oder für ein Medikament von minderer Qualität wirbt.
Ami Chichakyan:
Desinformation ist eine Falle, und man tappt sehr leicht in sie hinein. Sie soll die Öffentlichkeit manipulieren, indem falsche Informationen über andere Menschen und/oder Ereignisse verbreitet werden. Somit kann sie direkten Einfluss auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Menschen haben.

Ami Chichakyan, Journalistin bei der Tageszeitung „Aravot“
Die Herausforderungen in Konfliktzeiten
Armenien sah sich mit den Herausforderungen konfrontiert, die auf Zeiten des Konflikts folgen. Neben Todesfällen, menschlichem Leiden und Zerstörung wirken sie sich auch auf die journalistische Berichterstattung aus.
Naira Nalbandyan:
Der 44-Tage-Krieg [Bergkarabachkonflikt] kann nicht aus der Realität gestrichen werden. Ich arbeitete wochenlang unter Kriegsrecht, das uns davon abhielt, über das zu berichten, was ich sah. Die Öffentlichkeit war nicht bereit, andere Informationen als die offiziellen zu erhalten, und die meisten von uns hatten keine Möglichkeiten, die gebotenen offiziellen Informationen zu prüfen. Die Öffentlichkeit war nicht bereit, die Tatsache der Niederlage als solche wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Was ist Ihre Empfehlung zur Reaktion auf oder Vermeidung von Desinformation?
Ami Chichakyan:
- Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen
- Prüfen Sie die dargebotenen Informationen auf anderen Plattformen
- Erstellen Sie eine Liste vertrauenswürdiger Medienkanäle
- Achten Sie darauf, wo ein Artikel veröffentlicht wird
- Vermeiden Sie offensichtlich skandalöse Schlagzeilen
Naira Nalbandyan:
- Erkennen und folgen Sie Medien mit hohem Ansehen
- Behandeln Sie Informationen, die von unbekannten Nutzern in unterschiedlichen sozialen Netzwerken geteilt wurden, mit Vorbehalt
- Lesen Sie nicht nur die Überschriften, achten Sie auf die Fußnoten
- Prüfen Sie die Berichterstattung über das gleiche Ereignis oder die gleiche Information in mehreren Medienkanälen
Tatev Danielyan:
- Betrachten Sie jegliche Ihnen dargebotenen Informationen kritisch
- Denken Sie rational, versuchen Sie zu verstehen, was der Sender dieser oder jener Information Ihnen damit vermitteln möchte
Was ist Ihre Botschaft an die Menschen am Welttag der Pressefreiheit?

Naira Nalbandyan, Journalistin im Lokalfernsehen und jetzt bei Radio Liberty
Naira Nalbandyan:
Eine freie, pluralistische Medienlandschaft ist der Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft; ordnen Sie niemals Ihr Recht auf Informationen anderen Rechten unter.
Tatev Danielyan:
Ich möchte die Menschen anhalten, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu respektieren, ungeachtet ihrer politischen Zugehörigkeit. Der Grad an Demokratie in einem Land hängt von der öffentlichen Einstellung gegenüber Journalismus ab.
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Lesen Sie auch die anderen Artikel der Reihe zur Feier des Welttags der Pressefreiheit. Für den nächsten Artikel sprachen wir mit zwei Journalistinnen und drei Journalisten aus der Ukraine. Vorherige Artikel: Teil 1. Belarus; Teil 2. Georgien.