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NATO-Verkäufer des Jahres ist von der eigenen Effizienz überrascht

Mai 19, 2022

Gestern Morgen haben Finnland und Schweden gleichzeitig offiziell ihren Antrag zum NATO-Beitritt eingereicht. Das ist ein monumentaler Schritt für die zwei historisch blockfreien Länder. Diese Entscheidung war eine unmittelbare Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine. Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte: „Im vergangenen Dezember begann mit einer Behauptung aus Moskau, bei der unter anderem gefordert wurde, dass die NATO keine neuen Mitglieder aufnimmt, eine Kette von Ereignissen, die zu diesem Antrag führte.“ Präsident Niinistö schlug vor, dass die Russen den Grund für die finnische Entscheidung „im Spiegel finden“.

Die Verunglimpfung der NATO ist schon lange ein Favorit des Kremls und kommt in fast 1500 EUvsDisinfo-Fällen vor. Daher ist diese Nachricht auch nicht am kremlfreundlichen Desinformationsökosystem vorbeigegangen. Einige der neueren Behauptungen umfassen unter anderem, dass „Finnland und Schweden in die NATO gedrängt werden, um Krieg gegen Russland zu führen“, dass „die NATO vor dem Zusammenbruch steht und Finnland und Schweden nur schadet“ und dass „die Aufrüstung der NATO die öffentlichen Finanzen belasten und zu sozialen Problemen führen würde“.

Dann kam der vermeintliche Wechsel im Tonfall in Putins Rede beim Gipfel der OVSK am 16. Mai. Jetzt hat Russland laut Putin keine Probleme mit Finnland und Schweden, denn deren NATO-Beitritt würde Russland nicht bedrohen. Doch Moskau wird jeglicher NATO-Militärinfrastruktur in der Nähe Russlands widersprechen. Die wesentlichen Desinformationsnarrative sind jetzt an Putins Kommentare angepasst. Putin hat erkannt, dass er Finnland und Schweden nicht davon abhalten kann, ihre Anträge einzureichen. Also spielt er jetzt das offensichtliche Versagen seiner Politik, die NATO-Erweiterung – oder Expansion, wie der Kreml sagen würde – zu verhindern, herunter. Das hatte Russland zuletzt im Dezember 2021 in zwei Vorschlägen zu Abkommen an die USA und die NATO verlangt.

Andere Kommentare konzentrieren sich auf Kritik an der Entscheidung gepaart mit vagem Säbelrasseln und auf eine Art „Gegenschlag“, bei dem Russland sich gezwungen sieht, seine Interessen zu sichern und seine Machtposition in die westliche Richtung anzupassen.

Wir haben Eurovision gewonnen, indem wir nicht antraten, und die Veranstaltung ist eh moralisch verkommen

Am 14. Mai haben zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt sich vor dem Fernseher versammelt und Eurovision genossen – die weltweit größte Live-Musikveranstaltung. Die Ukraine hat den Wettbewerb mit Abstand gewonnen: Kalush Orchestra führten das Lied „Stefania“ auf, das viele berührte. Die Eurovision ist meist ein farbenfrohes und heiteres Fest der Musik, Vielfalt und Solidarität. Doch nicht für alle. Wenn der Grinch Weihnachten verdirbt, dann hat der Kreml – Russland wurde dieses Jahr vom Wettbewerb ausgeschlossen – versucht, Spielverderber dieser Show zu sein.

Am Tag danach, als viele Menschen sich noch von der Marathon-Show erholten, die bis in die frühen Morgenstunden ging, hat RIA Nowosti zwei Artikel als Reaktion auf Eurovision veröffentlicht. Im ersten behauptet der Medienkanal, dass die Deutschen über den Sieg der Ukraine empört sind, im zweiten wurde das gleiche über das britische Publikum angedeutet. Über Geschmack lässt sich bekanntermaßen schon immer streiten. Wenn man solche Schlagzeilen in Medien findet, die irgendeiner Art professionellen oder moralischen Standards des Journalismus folgen, würde man erwarten, dass eine Art Umfrage durchgeführt wurde, um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen. Doch wie immer mit dem Kreml gibt es einen Haken. Denn beide Artikel beruhen auf nichts weiter als einer Handvoll anonymer Online-Kommentare aus den Kommentarbereichen des Spiegel und der Daily Mail.

Wir hätten diesen Vorfall nicht erwähnt, wenn er nicht Teil eines Musters wäre. Das ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass das Desinformationsökosystem des Kremls ein paar anonyme Online-Kommentare für sich einnimmt und als landesweite öffentliche Meinung darstellt. Tatsächlich gehört das zu den vielen altbekannten Elementen der Taktiken, Manöver und Verfahren des Kremls. 2021 hat die Cardiff University zu genau diesem Thema eine Studie veröffentlicht. Interessanterweise wurden auch dort die Daily Mail und der Spiegel erwähnt.

Offensichtlich musste Russland seine Abwesenheit beim Wettbewerb rechtfertigen. Praktischerweise hat Tsargrad – ein bekanntermaßen kremlfreundlicher Medienkanal von Konstantin Malofejew, einem Oligarchen, der Putin nahesteht – einen Artikel veröffentlicht, in dem argumentiert wird, dass Russland Eurovision gewonnen hat, denn allein die Teilnahme würde eine Niederlage bedeuten.

Der Eurovision Song Contest ist also eine Art Prisma, das den aktuellen Stand der Bemühungen Russlands zur Desinformation und Informationsmanipulation widerspiegelt, und mit Russlands Abwesenheit wird die Selbstisolation verherrlicht. Letztes Jahr sorgte eine ausgefallene Pop-Sängerin tadschikischer Abstammung, Manizha, für Panik unter den russischen Nationalisten. Ein Anzeichen des „westlichen Verfalls“. Dieses Jahr wird die Abwesenheit vom Wettbewerb als Sieg dargestellt. Wie die Feier zum Siegestag am 9. Mai ohne einen Sieg und der Ruf nach einem langwierigen Konflikt mit dem Westen.


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