„Unsere Arbeit hilft, die russische Aggression zu bekämpfen, also machen wir weiter.“ Interview mit den ukrainischen Faktenprüfern von VoxCheck

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VoxCheck ist ein unabhängiges, gemeinnütziges Projekt zur Überprüfung von Fakten in der Ukraine. Anfang Februar 2022, als der Kreml noch immer seine Panzer und Soldaten an den Grenzen der Ukraine aufmarschieren ließ, haben wir VoxCheck schriftlich einige Fragen zu ihrer Arbeit und zu kremlfreundlichen Desinformationen in der Ukraine gestellt. Bevor wir das Interview abschließen konnten, marschierte Russland in die Ukraine ein. Am 2. März, dem siebten Tag der Invasion, haben wir die Antworten auf unsere Fragen erhalten und beschlossen, sie in ihrer jetzigen Form zu veröffentlichen, um die Ausdauer und Widerstandskraft des ukrainischen Volkes zu veranschaulichen.

VoxCheck kämpft weiter gegen Desinformation, auch wenn seine Arbeit durch das Heulen von Luftschutzsirenen unterbrochen wird.

Die Sprache wurde zur besseren Lesbarkeit leicht überarbeitet.

Was ist VoxUkraine und was ist sein Auftrag?

VoxUkraine eine unabhängige analytische Plattform. Wir unterstützen die Ukraine auf dem Weg in die Zukunft. Wir konzentrieren uns auf Wirtschaft, Staatsführung, soziale Entwicklungen und Reformen. Wir werden weder von Parteien noch von Oligarchen unterstützt. Die Qualität unserer Artikel wird durch den Redaktionsprozess sichergestellt.

VoxCheck ist eine Faktenprüfungseinheit von VoxUkraine. Wir überwachen und überprüfen die Aussagen von Politikern und Meinungsführern gegenüber einem breiteren Publikum, zum Beispiel in Interviews mit führenden Medien oder politischen Talkshows. Die weiteren Schwerpunkte unserer Arbeit sind Fälschungen aufdecken und russische Desinformation bekämpfen. Weniger Lügen von Politikern und mehr kritisches Denken der Menschen ist Ziel unseres Projektes.

Im aktuellen Kontext der militärischen Eskalation Russlands weisen viele Beobachter darauf hin, dass der Kreml seine Aktivitäten zur Desinformation verstärkt hat

(die Frage wurde bereits vor Beginn der russischen Invasion gestellt – EUvsDisinfo).

Stimmen Sie dem zu, und wenn ja, was sind die hauptsächlichen Desinformationsnarrative, die auf die ukrainische Öffentlichkeit abzielen?

Das allgemeine Narrativ der russischen Desinformation bleibt das gleiche: „Die Ukraine wird von Nazis regiert“; „Die russische Sprache und Kultur werden in der Ukraine unterdrückt“; „Die Ukraine wird von westlichen Handlangern regiert“; „Die ukrainische Armee bombardiert Zivilisten im Donbass“ und viele andere.

Mit der militärischen Aufrüstung Russlands und dem Beginn der groß angelegten Invasion hat die Zahl der irreführenden Behauptungen jedoch zugenommen. Zum Beispiel gab es Behauptungen, dass die Ukrainer einige Orte angegriffen und beschossen hätten (was in Wirklichkeit nicht der Fall war), erfundene Geschichten über ukrainische Soldaten, die sich ergeben und hochrangige Beamte, die die Ukraine verlassen haben, Behauptungen über die Niederlage der Streitkräfte der Ukraine (das Ziel dieser Geschichten ist es, die ukrainische Armee zu demoralisieren).

Weitere Beispiele finden Sie bei Vox Ukraine.

Können Sie die derzeitige Situation im Informationsumfeld mit 2014 vergleichen? Ist das ukrainische Volk resilienter gegen Desinformation geworden?

Eine Sache sollte erwähnt werden: 2014 gab es VoxCheck nicht.

Unserer Meinung nach sind die Ukrainer resilienter als im Jahr 2014. Aber es gibt noch Verbesserungspotential.

Laut einer von „Detector Media“ durchgeführten Umfrage aus dem Jahr 2020 verfügten 15 Prozent der Ukrainer über ein niedriges und 33 Prozent über ein unterdurchschnittliches Niveau an Medienkompetenz (umgekehrt verfügten 52 Prozent über eine überdurchschnittliche oder hohe Medienkompetenz – EUvsDisinfo).

Fast die Hälfte (45 Prozent) des Segments mit geringer Medienkompetenz bildeten Menschen im Alter zwischen 56 und 65 Jahren. Mehr als die Hälfte des Segments mit einer unterdurchschnittlichen Medienkompetenz verfügte über eine berufliche Sekundarausbildung.

Wir sehen daher zwei Schlüsselfaktoren, die die Medienkompetenz beeinflussen: Bildung und Alter. Manche Menschen sind in der ehemaligen UdSSR aufgewachsen, wo angesichts der starken Propaganda und Manipulation von Informationen zu jener Zeit niemand je etwas von Medienkompetenz gehört hatte.

In Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich viel mit Desinformation, die auf den Reformprozess in der Ukraine abzielt. Können Sie ein Thema herausgreifen, das Ihrer Meinung nach besonders hinterfragt werden muss?

Die Reform des ukrainischen Gesundheitswesens ist unserer Meinung nach das Beispiel für die meist betroffene Reform. Da sie viele Facetten hat, gibt es eine Menge Geschichten und Unterthemen, über die man lügen kann.

Was ist die Antwort auf die Herausforderung durch Desinformation? Kann Desinformation gestoppt werden, oder ist sie ein unvermeidliches Merkmal einer modernen Informationslandschaft? Was können andere Länder von der Ukraine lernen?

Auch wenn einige dies als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit ansehen mögen, möchten wir das Verbot von pro-russischen Fernsehsendern und Websites, die Desinformationen verbreiten oder als Plattformen für die Sprachrohre der Desinformation fungieren, als empfehlenswerte Maßnahme zur Bekämpfung von Desinformation hervorheben. Wenn eine Desinformationsplattform verboten wird, kostet es Ressourcen, sie wiederherzustellen. Und die mehrfachen Versuche der Wiederherstellung könnten schließlich die Ressourcen der Desinformation erschöpfen.

Auch wenn das Verbot von Fernseh- und Radiofrequenzen die Sender möglicherweise nicht daran hindert, andere Kanäle zu nutzen (z. B. nutzen die in der Ukraine sanktionierten Sender weiterhin die sozialen Plattformen Facebook, Telegram und YouTube), kann dieser administrative Schritt ihre Reichweite verringern. Darüber hinaus kann es zu ihrer völligen Schließung führen, wie es bei einem der in der Ukraine sanktionierten Fernsehsender der Fall war.

Was sind die größten Hindernisse bei Ihrer Arbeit, und was lässt Sie optimistisch in die Zukunft blicken?

Hindernisse:

  • Zufluss von Fehlinformationen. Für das Team ist es schwierig, die vielen eingehenden Nachrichten zu bearbeiten.
  • Psychologische Belastung.
  • Im Moment besteht ein Sicherheitsrisiko. Viele Mitglieder unseres Teams halten sich in ukrainischen Städten auf, in denen die Gefahr von Bombenangriffen besteht. Daher wird die Arbeit oft durch Luftangriffsalarme unterbrochen.

Was uns optimistisch macht:

  • Unterstützung seitens der Leser (sie danken uns und betonen, dass wir eine wichtige Arbeit leisten)
  • Die Hoffnung, dass unsere Gesellschaft in der Lage sein wird, kritisch zu denken.
  • Wir verstehen jetzt besser als je zuvor, dass unsere Arbeit dazu beiträgt, die russische Aggression zu bekämpfen. Also machen wir weiter.

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RECHTLICHER HINWEIS

Bei den Fällen in der EUvsDisinfo-Datenbank geht es um Aussagen im internationalen Informationsraum, die als parteiische, verzerrte oder falsche Darstellung der Realität und als Verbreitung von kremlfreundlichen Kernbotschaften identifiziert wurden. Daraus folgt nicht zwangsläufig, dass die betroffenen Medien Verbindungen zum Kreml haben oder den Kreml redaktionell unterstützen oder dass sie absichtlich Desinformation verbreiten wollten. Die Veröffentlichungen von EUvsDisinfo stellen keine offizielle Position der EU dar, da die präsentierten Informationen und vertretenen Meinungen auf Medienberichten sowie Analysen der East StratCom Task Force basieren.

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